Die Geschlechterkluft in der KI: Was die Zahlen sagen
Laut dem World Economic Forum machen Frauen weltweit nur 30% des globalen KI-Talents aus (Global Gender Gap Report 2023). Diese Ungleichheit wird je nach Industrie noch gravierender. Während in der Bildung noch 40 % Frauen mit KI-Fähigkeiten arbeiten, sind es im Bereich „Technologie, Information und Medien“ nur noch 27 %. Das Schlusslicht bildet die Herstellung mit gerade mal 22 % (S. 46).
Die Datenanalyse des NGOs interface, immerhin von fast 1,6 Millionen KI-Fachleuten weltweit, offenbart ein noch stärkeres Geschlechterungleichgewicht. Frauen machen nur 22 % der KI-Talente weltweit aus, und in den Führungsebenen sind sie sogar noch weniger vertreten – sie besetzen weniger als 14 % der Führungspositionen im KI-Bereich. Innerhalb der EU ist die Ungleichheit ebenso besorgniserregend. Europa hat zwar seine Geschlechterkluft um 75 % geschlossen, wobei Schweden und Deutschland zu den fünf europäischen Volkswirtschaften gehören, die dieses Gap am besten schließen. Die Daten zeigen jedoch auch einen starken Kontrast im KI-Sektor: Deutschland und Schweden haben mit 20,3 % bzw. 22,4 % einen der niedrigsten Frauenanteile in ihren KI-Belegschaften in der EU. Diese Diskrepanz wirft ernsthafte Fragen über die besonderen Barrieren auf, mit denen Frauen im KI-Bereich konfrontiert sind (https://www.stiftung-nv.de/publications/ai-gender-gap)
Ein großes Problem zeigt sich auch bei den öffentlichen Auftritten und der Sichtbarkeit von Frauen in der KI. Nur 18 % der Vortragenden auf führenden KI-Konferenzen weltweit sind weiblich. Auch in den Publikationen sind Frauen massiv unterrepräsentiert, und über 80 % der KI-Professoren sind Männer (ArtSmart AI). Das Keynote-Phänomen kenne ich selbst: Ich werde zu vielen Keynote-Vorträgen rund um KI gebucht. Direkt über zwei eigene Websites oder über zwei Speakervermittlungsagenturen. Häufig, nicht immer, lauten die Suchkriterien: „soll KI können, inspirierend erzählen können und gerne eine Frau“. Der Hintergrund: Häufig sind alle anderen Redner, die schon für die Konferenz oder das Inhouseevent gebucht sind, eben genau das. Redner. Und die Veranstaltenden wünschen sich mehr Vielfalt. Hier habe ich ggf. also als Frau sogar einen Vorteil. Weil ich KI kann UND eine Frau bin. Und eben (schon) gefunden werden kann.
Stereotype in der KI: Was passiert, wenn Frauen fehlen?
Das Fehlen von Frauen in der KI-Entwicklung hat nicht nur Auswirkungen auf ihre Sichtbarkeit, sondern auch auf die Technologie selbst. Eine Studie der UNESCO hat alarmierende Muster in großen Sprachmodellen (Large Language Models, LLMs) festgestellt. Diese KI-Systeme, die auf riesigen Textmengen trainiert werden, reproduzieren häufig bestehende Geschlechterstereotype.
Ein besonders anschauliches Beispiel zeigt sich in den von KI generierten Geschichten. Laut der Studie verwendeten Geschichten über Männer häufig Wörter wie „Schatz“, „Wald“, „Meer“ und „abenteuerlustig“. Geschichten über Frauen hingegen enthielten häufiger Begriffe wie „Garten“, „Liebe“, „sanft“, „Haar“ und „Ehemann“ (UNESCO). Besonders problematisch: Frauen wurden in diesen Texten viermal häufiger in häuslichen Rollen dargestellt als Männer.
Und auch wir bei KIRevolution haben schon 2020 in einem Whitepaper die wichtigsten Fakten zusammengetragen: https://kirevolution.com/kunstliche-intelligenz-und-ethik-wen-und-warum-diskriminiert-ki
Die Sichtbarkeit von Frauen in der KI ist also nicht nur eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit, sondern auch der Qualität der Technologie, die entwickelt wird. Je diverser die Teams sind, die diese Systeme gestalten, desto ausgewogener und gerechter werden die Ergebnisse.
Wie wir Frauen in der KI sichtbarer machen können
Es gibt bereits Initiativen, die darauf abzielen, mehr Frauen in der KI sichtbarer zu machen. Ein anschauliches Beispiel ist die Initiative von Anne-Kathrin Gerstauer, die eine Airtable-Liste erstellt hat, auf der sich KI-Expertinnen und nicht binäre Personen eintragen können. Diese Liste ermöglicht es, gezielt nach Frauen zu suchen, die auf Panels sprechen, in Projekten mitarbeiten oder Workshops anbieten können. Damit, so die Autorin, kann niemand mehr behaupten, er oder sie hätten keine geeignete Frau für sein Event gefunden.
Hier kannst Du Dich eintragen und Teil der KI-Liste werden:
Zur Liste
Anne-Kathrins Liste ist ein guter Schritt in die richtige Richtung. Sie zeigt, dass es viele qualifizierte Frauen in der KI gibt – sie müssen nur die Plattformen bekommen, um sichtbarer zu sein.
Du findest, Du musst noch ein wenig KI trainieren, bevor Du Dich auf die Liste schreibst? Gerne. Hier geht’s zu unseren Trainings, Schulungen und Webinaren: https://kirevolution.com/masterclass-trainings und https://kirevolution.com/workshops-webinare-und-sonstige-events
Warum das auch für Männer gut ist
Ich weiß nicht, ob es noch extra betont werden sollte – dass nämlich die Förderung von Frauen in der KI nicht gegen Männer gerichtet ist. Im Gegenteil: Studien zeigen, dass diverse Teams kreativer und erfolgreicher sind, weil sie verschiedene Perspektiven einbringen. Das bedeutet, dass Unternehmen, die Frauen und Diversität insgesamt fördern, insgesamt produktiver und innovativer werden – was allen Beteiligten zugutekommt, auch den männlichen Kollegen (McKinsey & Company).
Wenn wir sicherstellen, dass Frauen in der KI gleichberechtigt vertreten sind, werden auch die Technologien, die wir entwickeln, fairer und ausgewogener. Männer profitieren also ebenso davon, wenn mehr Frauen in Führungspositionen kommen, da dies nicht nur die Branche, sondern die Gesellschaft und unserer Zusammenleben vorwärtsbringt.
Berlin, 15.10.2024, Prof. Dr. Claudia Bünte“